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70 Jahre Grundgesetz - ein Tag zum Feiern!

Um den Tag des Grundgesetzes gebührend zu feiern, fanden am 23.05.2019 unterschiedliche Aktionen zum Thema „Grundgesetz“ statt. In der zweiten Stunde  eröffnete Herr Kaminiski mit dem WPK der 9. Klasse für alle anwesenden Oberstufenklassen mit einem eigens komponierten Lied zum Grundgesetz einen ereignisreichen Tag. Danach sorgten Mattis Jobst und Jannik Dittmann aus der Q1a mit ihrer Eröffnungsrede für den vertiefenden thematisischen Einstieg. Hier noch einmal zum Nachlesen:

Rede zum Geburtstag des Grundgesetzes

„Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben. Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.“    

Diese Präambel leitet heute seit 70 Jahren unser Grundgesetz ein. Ein Grundgesetz, welches die Verfassung Deutschlands darstellt und die Demokratie, die Gleichberechtigung, die Meinungsfreiheit und mit ihr auch die Pressefreiheit sichert. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist keine normale Verfassung, denn auch der Hintergrund, hinter dem diese Verfassung entstanden ist, ist alles andere als normal. Man stelle sich die Situation vor: 1948, drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, beginnt der parlamentarische Rat, eine aus den Ländern der Westzonen zusammengesetzte Versammlung, ein Grundgesetz für das Nachkriegsdeutschland zu entwerfen. Ein Grundgesetz für ein Land, das durch die Siegermächte besetzt war und mit der Vergangenheit zu kämpfen hatte, mit den Ideologien der Nationalsozialisten, die Millionen von unschuldigen Menschen das Leben gekostet hatten und mit dem Wissen, dass dieser Weltkrieg nichts einmaliges gewesen war, denn nur 30 Jahre zuvor hatte gerade der erste Weltkrieg ein Ende gefunden. Um zu verhindern, dass Deutschland erneut die Verantwortung für solch ein schreckliches Ereignis tragen würde und um alles daran zu setzen, dass sich ein solches Ereignis niemals mehr in der Weltgeschichte wiederholen würde, wurde das Grundgesetz heute vor 70 Jahren verkündet.  

Aber was ist im Grundgesetz genau verankert? Und wie hat es sich im Laufe der Jahrzehnte verändert?  

Im Allgemeinen sind im Grundgesetz die Rechte der Menschen festgelegt. Dem allen vorangestellt: der erste Artikel, der die Würde des Menschen für unantastbar erklärt. Der deutsche Staat hat es sich mit diesem übergeordneten Grundsatz zur Aufgabe gemacht, diese zu achten und zu schützen. Unter dieser Prämisse stehen auch die weiteren Grundsätze des Staates, die im Grundgesetz festgehalten wurden, wie zum Beispiel Artikel 3, der den meisten Menschen wie Artikel 1 bekannt sein sollte: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ So selbsterklärend wie essentiell. Weiter heißt es im zweiten Absatz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Dieser Absatz ist allerdings noch nicht durchgesetzt, im Gegenteil, er ist sogar sehr gegenwärtig, wie man an der Einführung einer für notwendig erachteten Frauenquote sowie an den aktuellen Diskussionen über Disparitäten zwischen dem Einkommen von Männern und Frauen sieht. Auch der dritte Absatz sollte Ihnen und euch bekannt sein, denn dieser ist auch Teil der Begründung unseres Titels „Schule ohne Rassismus“, da er besagt: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ 

 Nun sei dazu gesagt, dass dieser Schutz nur so weit geht, bis zum Beispiel eine politische Anschauung gegen die Verfassung verstößt. Denn in diesem Fall muss der Staat wiederum seine Aufgabe wahrnehmen, Würde und Rechte der anderen Menschen zu schützen. 

Nach dem kleinen Geschichtsexkurs und der Anführung der zentralen Punkte des Grundgesetzes wollen wir nun den Fokus auf die Gegenwart lenken. Denn aktuell wachsen die Bedrohungen für die Demokratie und ihrer Repräsentation im Grundgesetz durch Extremismus und Populismus. So lohnt es sich doch, einen genauen Blick in unsere Verfassung zu werfen und zu prüfen, was diese zum Thema Meinungs-, Presse- und Freiheit im Allgemeinen hergibt. Denn diese sind den Individuen, die in unserem Staat leben, also den deutschen Bürgerinnen und Bürgern, grundsätzlich erst einmal garantiert, so auch in Artikel 5, Absatz 1: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten […]. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Doch wie schon zuvor gibt es auch hier Einschränkungen, die zur Erhaltung der Menschenwürde dienen, wie im nächsten Absatz erläutert wird: „Diese Rechte finden Ihre Schranken […] in dem Recht der persönlichen Ehre.“ So sind auch Löschungen von rechtsextremen Kommentaren auf sozialen Medien gerechtfertigt, die häufig als Zensur und Verstoß gegen das Grundgesetz betitelt werden. 

Neben der Bedrohung der Meinungs- und Pressefreiheit lässt sich auch die Tendenz zur Einschränkung der Glaubens- und Religionsfreiheit erkennen. So zeigt es das Beispiel eines israelischen Jungen, der letztes Jahr aufgrund seiner Kippa, einer für den jüdischen Glauben typischen Kopfbedeckung, von einem 19-Jährigen mit einem Gürtel attackiert wurde. Gerade im Hinblick auf die deutsche Historie und den Kontext, in dem die Verfassung entstand, sind Einschränkungen der Glaubensfreiheit und besonders der Antisemitismus sehr kritisch betrachtete Themen. So besagt der vierte Artikel: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens, und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“ (Absatz 1) und ergänzt dies mit der pointierten Formulierung: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ (Absatz 2) 

Nach einer vergleichsweisen schnöden Aufzählung von Gesetzen wollen wir Sie und euch nur noch mit einem weiteren versorgen, einem, das eigentlich nichts mit den Menschenrechten zu tun hat, das aber dafür hätte sorgen können, dass der heutige Tag egalisiert worden wäre. Es handelt sich um Artikel 146, der besagt: „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem Deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ Dieser Artikel, der das Grundgesetz 1949 abschloss, sollte eigentlich als eine Art Aufforderung dienen, so schnell wie möglich eine neue Verfassung in der Bundesrepublik zu schaffen und das Grundgesetz nur als Übergangslösung für kurze Zeit anzusehen. Allerdings gab es den erwarteten Zusammenschluss mit der sowjetischen Besatzungszone nicht schnell genug, sodass das Grundgesetz vorerst beibehalten wurde und das bis heute. Und wenn Sie uns erlauben, eine Prognose abzugeben, dann bezweifeln wir, dass der Artikel 146 in nächster Zukunft umgesetzt wird. 

Unser Grundgesetz hat sich von der Übergangslösung zur vorläufigen Sicherheit der Menschenrechte und Demokratie bis zum Fundament eben dieser in Deutschland entwickelt. Ohne das Grundgesetz wären wir, jeder einzelne von uns, deutlich eingeschränkter in dem was wir tun und deshalb, sollten wir dankbar für diese Verfassung sein und aufhören, sie als selbstverständlich anzusehen. Denn es liegt ein Stück weit an jedem von uns, alle Bedrohungen jeglicher Art, sei es durch Extremisten, Populisten oder andere Faktoren abzuwehren und stets bemüht darum zu sein, das Grundgesetz zu optimieren. Denn eben jenes ermöglicht es uns Deutschen, ein freies und selbstbestimmtes Leben zu führen und ist die Basis für dieses so erfolgreiche Deutschland, welches seine Anerkennung und Position in der freien, demokratischen Welt seiner freien und demokratischen Verfassung zu verdanken hat. 

Wir hoffen, dass unsere Rede Sie und euch etwas zum Nachdenken angeregt hat und wünschen noch viel Spaß mit den folgenden Beiträgen sowie den Workshops. 

Vielen Dank! 

           

Nach der Rede fanden verschiedene Aktivitäten zum Grundgesetz statt. Unter anderen nahmen die Q1a und Q1c mit Frau Becker und Frau Hoffmann an einem Workshop zum Thema „Rechtsextremismus“, der vom RBT geleitet worden ist, teil. Die Eb beschäftigte sich unter der Leitung von Frau Drewitz mit den Müttern des Grundgesetzes, während Herr Grell und Herr Kutz gemeinsam mit der Q1d die Stoplersteine in Lübeck aufsuchten, um an die Opfer der nationalistischen Gewaltherrschaft zu gedenken. Für die Orientierungs- und Mittelstufe wurden in der 4.-5-Stunde die wichtigsten Grundgesetzartikel erarbeiten und anhand von Alltagsbeispielen verdeutlicht. So hatte jede Schülerin und jeder Schüler am GaM am 23.05.2019 die Möglichkeit, das Geburtstagskind „Grundgesetz“ zu feiern!    

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